How to order a Currywurst

[Laeusel]

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Ellipse an der Pommesbude

Psycholinguistik erhellt die Kommunikation beim Bestellen einer Curry-Wurst.Im Ruhrgebiet hat sich eine besonders optimistische Sprachvariante entwickelt: "Ich krich eine Bratwurst!"
Wo immer Currywurst verkauft wird, hat man Gelegenheit, sich in einer besonderen Sprachvariante zu verständigen, die interessante grammatikalische Merkmale aufweist. Besonders im Ruhrgebiet hat sich eine Sonderform entwickelt, die auf komplexen psycholinguistischen Prinzipien basiert.
Universale Erscheinung an jeder Pommesbude ist zunächst die Ellipse: "Dreimal mit." Gemeint ist: "Dreimal Pommes mit Mayo." Ellipsen sind Satzfragmente, grammatisch nicht korrekte, weil lückenhafte Äußerungen. Sie müssen vom Empfänger erst noch zum vollständigen Satz ergänzt werden. Und das gelingt. An der Pommesbude.
Der Grund ist die Antizipationsfähigkeit des Pommesbudenmitarbeiters. Genaugenommen hieße es ja: "Ich hätte gern dreimal Pommes Frites mit Mayonnaise, bitte." Aber immerhin vier Fünftel aller Silben können weggelassen werden. Das ist die Redundanz. Weil die Situation, in die diese Äußerung eingebettet ist, voller Hinweise steckt, die der Entschlüsselung dienen. Aber vor allem, weil die Gesprächspartner mitspielen und hochgradig kooperativ agieren.
Kooperativität - ein zentraler Begriff aus der Linguistik. Werner Kallmeyer, Sprachwissenschaftler, und Fritz Schütze, Soziologe, schrieben in einem Beitrag zur Konversationsanalyse: "Ich setze als selbstverständlich voraus und nehme an, dass mein Interaktionspartner dasselbe tut: Er und ich, wir unterstellen, dass wir beide die Gegenstände in einer identischen Weise ausgewählt und interpretiert haben." Im Ruhrgebiet hat man diese Kooperativität besonders stark entwickelt. Die Ersparnis von Zeit und Redeaufwand geht in jedem Fall vor. Was man auch an dem hier üblichen Begrüßungsdialog sieht: "Und?" - "Muss."
Das basiert auf Paul Grice, dem Sprachphilosophen, der 1968 ein allgemeines Kooperationsprinzip postulierte und daraus seine berühmten spezifischen Maximen ableitete: "Mache deinen Beitrag so informativ wie erforderlich. Mache deinen Beitrag nicht informativer als erforderlich. Mache deinen Beitrag relevant. Sei klar und deutlich."
Ebenfalls zur Pommesbuden-Sprachnorm gehört das Phänomen: "Zwei Currywurst!" Es fällt die interessante Pluralbildung auf: Zahlwort und Flexion des nachfolgenden Nomens passen nicht zusammen (Inkongruenz). Wie lässt sich das erklären?
Entweder haben wir hier nur wieder die Ellipse vor uns, und diesmal wurde lediglich die Silbe "mal" weggelassen - also wäre gemeint: "Zweimal Currywurst!" Es kann aber auch sein, dass "Zwei Currywurst" einfach eine schlichte Abneigung gegen die beiden möglichen Pluralvarianten ausdrückt: "Zwei Currywürste" klingt merkwürdig fies und unappetitlich, "Zwei Currywürstchen" dagegen unnötig niedlich, auf jeden Fall unmännlich. Mit "Zwei Currywurst" drückt sich eine selbstbewusste sachliche Haltung gegenüber der Bratware aus.
Während man Ellipse sowie besondere Pluralbildung an jeder beliebigen Pommesbude im Lande hört, trifft man die weitaus am höchsten entwickelte sprachliche Erscheinung so nur im Ruhrgebiet: "Ich krich eine Bratwurst extrascharf!"
"Ich krich." Heißt: Ich kriege. Einzigartig ist hier der Perspektivenwechsel, der vom Ruhrgebietler mühelos bewältigt wird: Er versetzt sich in die Sichtweise des Gegenübers. Statt seine eigene Position zu formulieren ("ich möchte"), überwindet er den Ich-Hier-Jetzt-Ursprung sprachlichen Handelns. Statt sein Wünschen zum Thema zu machen, nimmt er die Reaktion des Pommesbudenmitarbeiters vorweg. Denn der muss sich ja merken: So, die da kriegen zwei Döner, dieser da einen Krautsalat und der da kriegt eine Bratwurst extra scharf.
In der Psychologie wird dieser Perspektivenwechsel unter dem Begriff "rekursives Denken" erforscht. So ist die Fähigkeit zum rekursiven Denken ein wichtiger Indikator für die geistige Entwicklung bei Kindern. Es ist auch in der Friedensforschung bedeutsam. Louis Oppenheimer von der Katholischen Universität Nimwegen hat herausgearbeitet, wie aus rekursivem Denken erst die Möglichkeit hervorgeht, den Standpunkt eines anderen zu verstehen, im Grunde genommen also die Toleranz.
"Ich krich eine Bratwurst" - daran verblüfft noch etwas ganz anderes. Das positive Denken, das in dieser Wendung seinen perfekten Ausdruck findet. Interessant ist nämlich: Der Satz wirkt wie Präsens, befindet sich jedoch bei feiner Analyse im Futurum! Futur Eins, einfache Zukunft, umgangssprachlich mittels Gegenwartsform ausgedrückt (futurisches Präsens). Ich weiß also schon, dass ich es kriegen werde. Welch ein Optimismus, welch ungebrochener Glaube an die Zukunft spricht sich hier aus! Eine Gewissheit, die Mut macht und hoffen lässt.
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[kuschelhawk]

klasse